Leserbrief in Sachen Ausstellung ‚Schutz des Bodens‘ am 11. Februar 2019

OB Wagner versteht offenbar seine eigenen Argumente nicht!

Eröffnung der Ausstellung ‚Schutz des Bodens‘ am 11. Februar 2019 und die Rede beim Heringsessen in Münchholzhausen

Im vergangenen Jahr 2018 hatten wir neben den globalen Klimakatastrophen auch gerade bei uns in Deutschland einige Extremwetter-Ereignisse (langer heißer und trockener Sommer, begleitet mit lokalen Starkregen und Überschwemmungen) sowie weitere Hiobsbotschaften zu verkraften. Das verstärkte  Insektensterben und insbesondere  das Bienensterben ließen uns aufhorchen. Die Erklärungen von Wissenschaftlern, dass diese bedrohlichen Entwicklungen von uns Menschen weitestgehend selbst  verursacht wurden, können mittlerweile auch von den größten Skeptikern nicht mehr widerlegt werden.

Deshalb war ich gespannt, was mich bei der Eröffnung der ‚Bodenschutz-Ausstellung‘ im Wetzlarer Rathaus erwartet. Besonders im Hinblick auf die lokalen Ursachen der Umweltbelastungen interessierte es mich, ob sich diese Ausstellung auf das Bewusstsein unserer Kommunalpolitiker niederschlägt.

OB Manfred Wagner eröffnete am 11.2.19 im Rathaus persönlich die Ausstellung ‚Schutz des Bodens‘ mit einer sachlich und fachlich überzeugenden Ansprache. Die WNZ berichtete am 13.2.19 darüber. OB Wagner erläuterte die wichtigen Aufgaben, die der Boden erfüllt und begründete abschließend, dass dieses Lebenselement heute wesentlich mehr Schutz erfahren müsse als in der Vergangenheit (siehe WNZ!).

Die Rede war beeindruckend. Sollte dies bedeuten, dass damit der Beginn einer veränderten Kommunalpolitik eingeläutet wird und ab sofort  ein Ende des ‚Flächenfraßes‘ und der Naturzerstörung in Wetzlar stattfindet?  Die Enttäuschung folgte bald. Bereits bei einem Interview im Rahmen der Freitags-Schülerdemo ‚Fridays for future Wetzlar‘ ließ OB Wagner keinen Zweifel daran aufkommen, dass an der fatalen Entscheidung für den Bau des Gewerbegebiets ‚Münchholzhausen Nord‘ unbedingt festgehalten werden soll. Wenig später beim Heringsessen der SPD am Aschermittwoch in Münchholzhausen bestätigte unser OB diese Position.

Wie ist diese widersprüchliche Argumentation zu erklären? War dies nur eine der unsäglichen Sonntagsreden bei der Ausstellungs-Eröffnung? Oder ist OB Wagner nicht in der Lage, aus seinen überzeugenden Argumenten bei der Ausstellungseröffnung die schlüssigen Konsequenzen zu ziehen? Hat er seine eigenen Argumente nicht verstanden?

Dagmar Schmidt (SPD-MdB) wies – ebenfalls beim Heringsessen – darauf hin, dass in Zukunft  (aufgepasst!) wesentlich mehr für den Klimaschutz und für die Sicherung der Artenvielfalt getan werden müsse. Konkrete Vorschläge? Fehlanzeige!

Meine Vorschlag: Fangt doch in Münchholzhausen/Dutenhofen mal an. Hier könnt ihr beweisen, dass es gar nicht so schwierig ist, das Notwendige zu tun:

Die Stadtverordneten stimmen mehrheitlich für die Aufhebung des Parlamentsbeschlusses von 2004, mit dem die Planung des Gewerbegebiets gestartet wurde. Auf den Flächen der Stadt Wetzlar vor dem Dorlarer Wald (ca. 90 Prozent gehören ihr im ersten Bauabschnitt) werden die Pächter (Landwirte) verpflichtet, auf Dünger- und Pestizideinsatz zu verzichten. Dann würde dieses Pflanzen- und Tierbiotop innerhalb kürzester Zeit noch wertvoller, als es bereits existiert. Dies bestätigte uns ein qualifizierter Bodengutachter.

Die Landwirte könnten die Flächen weiter bewirtschaften, Lebensmittel erzeugen und müssten nicht um ihre Existenz fürchten, weil ihnen die landwirtschaftlichen Flächen von der Stadt Wetzlar wegen des Gewerbegebiets weggenommen werden. Der Boden fängt den notwendigen Regen auf und leitet ihn gefiltert an das Grundwasser weiter. (Es sei an das dramatische Absinken des Grundwasserspiegels im letzten Sommer erinnert.)  Die offene Fläche kann weiter das lokale Klima günstig beeinflussen und  das Treibhausgas Kohlendioxid speichern. Selbst Rehe, Rebhühner und Feldlerchen könnten sich über die Rettung ihres Lebensraumes freuen. Und nicht zuletzt bleibt den Bürgern von Wetzlar dieses Gebiet als wichtiges Naherholungsgebiet erhalten.

Es genügt nicht, teilweise heuchlerisch die Freitags-Demonstrationen der mutigen Schüler zu loben, wenn nicht lokal ein Umdenken stattfindet und eine umweltfreundliche Kommunalpolitik begonnen wird.  Die Beibehaltung der neoliberalen Kommunalpolitik in Wetzlar ist nicht ansatzweise geeignet, einen Beitrag zur Abwehr der Umwelt-Bedrohungen zu leisten. Im Gegenteil. Noch glauben offenbar Magistrat und die große Mehrheit unseres Stadtparlaments  aus SPD, Grüne, FWG, FDP (außer 1 Abweichler), Linke, dass die Folgen der Klimaveränderung nur außerhalb von Wetzlar stattfinden und deshalb keinerlei Konsequenzen in der Wetzlarer Kommunalpolitik gezogen werden müssen. Wir befinden uns quasi in einem (Lahn-)Tal der Ahnungslosen und der Ignoranz.

Unserem Magistrat und den Fraktionen im Stadtparlament sei dringend empfohlen,  sich zukünftig an den Vorgaben der Hessischen Landesregierung zu orientieren, die aufzeigen, wie man eine nachhaltige Gewerbepolitik ohne grenzenlosen Flächenfraß betreiben kann. Auch damit lassen sich Arbeitsplätze schaffen und erhalten.

Für uns gilt nach wie vor:

Wir lehnen das geplante Industrie- und Gewerbegebiet Münchholzhausen/Dutenhofen ab, ohne Einschränkungen

  • weil wir eine gesunde Natur brauchen – Naturschutz ist Menschenschutz:

(Regenspeicher, Versickerungsgebiet – Sicherung und Begünstigung der Artenvielfalt, insbes. Lebensraum für Rebhuhn, Feldlerche, Goldammer, Rotmilan, Habicht, Turmfalke, Zauneidechse, Feldhase, Rehe sowie viele Wildkräuter usw. – CO2-Speicher – Stabilisierung des lokalen Klimas usw.)

  • weil die landwirtschaftlichen Nutzflächen und damit die Erzeugung von Nahrungsmitteln erhalten bleiben müssen  (Sicherung der landwirtschaftlichen Existenz)
  • weil wir dieses wichtige Naherholungsgebiet für die Wetzlarer Bürger brauchen
  • weil die Zersiedelung unserer Landschaft verhindert werden muss
  • weil die Lebensqualität in Münchholzhausen und Dutenhofen nicht verschlechtert werden darf
  • weil sich Magistrat und Stadtparlament am Bürgerinteresse orientieren müssen
  • weil unser Magistrat die verbindlichen Rechtsvorschriften (Artikel 26 der Hessischen Verfassung, Landesentwicklungsplan usw.)  beachten muss

Klaus Schäfer, Natur- und Vogelfreunde Münchholzhausen

BI ‚Stopp! Industrie- und Gewerbegebiet Münchholzhausen/Dutenhofen‘